Dienstag, 14. Oktober 2014

BERLIN BY BIKE

Dieser Bericht erschien letzte Woche als Gastblogbeitrag auf dem Fahrradblog Bikelovin. Danke, liebe Christiane, für die tolle Zusammenarbeit!
-----------------

BERLIN BY BIKE

Fahrradfahren in Berlin kann schon eine Herausforderung sein.

Erstens muss einem das Fahrrad erhalten bleiben, was nicht immer einfach ist.
Diebstahl und mutwillige Zerstörung sind die hinderlichen Vorkommnisse, die es zu vermeiden gilt. Seit mein nigelnagelneues Fahrrad, das ich mir vor einigen Jahren gönnte, nur ca. 2 Wochen lang in meinem stolzen Besitz verweilte, habe ich nur noch Fahrgefährte, die sowohl 2 Räder als auch 2 Hände haben... Second Hand nennt sich das im Volksmund... LOL




Mein als Fidel-Marcel getauftes pinke Mädchenfahrrad war das erste verfügbare Exemplar in meiner Größe beim Second-Händler meines Vertrauens. Die Gangschaltung ließ zu wünschen übrig, der Fahrradkorb war schon kurz vorm Durchrosten und das gute Teil fühlte sich an als wäre es mit Blei versetzt. Wäre jetzt nicht meine erste Wahl gewesen, aber ich war jung und brauchte ein Fahrrad... Einen Vorteil hat das aparte Teilchen zudem: Keiner klaut es! Also, Hürde 1 überwunden...

Hürde 2 sind die Berliner Verkehrsbedingungen, die starke Nerven erfordern.
Fahrradwege sind häufig zugeparkt, fehlen gänzlich oder führen an Bushaltestellen vorbei. Letzteres ist ein Spießrutenlauf, wenn der Bus leider genau das gleiche Tempo hat wie man selbst und man somit alle paar Minuten Slalom auf dem Radweg fahren darf, wahlweise jedes Mal komplett zum Stillstand kommt. Nimmt man Nebenstraßen, in der Hoffnung, diese Probleme zu umgehen, dann gibt es andere Herausforderungen. Nebenstraßen haben oft den Nachteil mit Kopfsteinen gepflastert zu sein, wovon ich meist nach 2 Sekunden schon eine (gefühlte) Gehirnerschütterung bekomme. In den östlichen Stadtteilen muss man sogar aufpassen, dass man nicht in den Straßenbahnschienen hängen bleibt.

Hat man dann eine Straße, auf der man gut fahren kann, dann sind wiederum rücksichtslose Autofahrer an der Tagesordnung. Abstand halten? WAS ist DAS? Gucken, ob ein Fahrrad gerade vorbeifährt, während man die Autotür aufmacht? Niemals! Aber auch andere Fahrradfahrer können einem ganz schön auf den Keks gehen. Stellen Sie sich an einer roten Ampel in Berlin immer so weit wie möglich rechts zum Straßenrand hin(falls da nicht gerade ein Auto steht). Bleiben auch nur 2cm Platz zum Rechtsüberholen, dann wird dieser Platz garantiert von einem sogenannten Kampfradler mit Rot/Grün-Schwäche und/oder Missachtung der Ampelfarbe ausgenutzt. Herzkasper garantiert! Radwege werden zudem gerne von Geister(rad)fahrern genutzt, die das Gesicht nach unten gerichtet haben (Smartphone-Sucht), also hier auch: Augen offen und nicht auf das Recht beharren, auf der richtigen Seite zu sein, wenn man nicht bald am Boden liegen möchte.

Hürde 3: Ampeln. Es gibt davon viele. Und sie sind auf Autofahrer ausgerichtet. Eine grüne Welle für Radfahrer gibt es nicht, wird es auch nie geben. Und es steht garantiert eine ganze Gruppe Kindergartenkinder auf der gegenüberliegende Straßenseite, wenn Sie die Rotphase haben, so dass bei Rot herüberfahren, wenn gerade eh weit und breit kein Auto zu sehen ist, aus erzieherischen Gründen nicht in Frage kommt. Es sei denn, man hat keine Angst davor, von den Erzieherinnen gelyncht zu werden. Problemlösung: Vorausschauend fahren. Schnell, wenn die Grünphase in der Ferne noch anhält, langsam wenn die Rotphase noch weilt. Und sich nicht ärgern, wenn's nicht klappt, denn die Wahrscheinlichkeit, dass DAS klappt sowieso gen Null tendiert.

Hürde 4: Menschenmassen.
Berlin ist nun mal eine Großstadt. Wenn man seine Ruhe haben will, muss man aufs Land herausfahren oder ein paar Stellen kennen, wo man gut Fahrrad fahren kann. Ich werde mich schwer hüten, alle meine Geheimtipps auszuplaudern, aber eine Stelle verrate ich euch gerne: Es ist das Flughafengelände. Nicht IRGENDein Flughafengelände, sondern das neue Fahrradfahrerparadies am Tempelhofer Feld. Um hierher zu finden, überwindet man gerne alle 4 eben genannte Hürden und wäre sogar bereit, noch weitere auf sich zu nehmen!



Vrrrrrrrrrooooooooooooaaaaaaaaaaam... Wo man früher an den Startbahnen gestanden hat, um zuzuschauen wie die Flugzeuge aufsteigen, kann man nun auf der anderen Seite des Zauns am ehemaligen Flughafen Tempelhof immer noch Fluggeräusche hören. Sie sind aber leiser geworden, denn statt Flugzeuge sind es Drachen, die in der Luft weit oben surren, Rollschuhe, Skateboards und/oder eine Mischung aus alledem, mit vom Wind erzeugten Schallwellen... Keine Ahnung, wie die Teile heißen, die wie Fallschirme mit Rädern drunter aussehen. Sie sind wohl gerade der absolute Renner auf dem Flughafengelände und schwirren wie rollende Engel in Bodennähe umher.

Das Tempelhofer Feld ist meine neue Oase in Berlin. Es ist riesig. Es ist grün. Es ist weitsichtig. Innerhalb einer Großstadt so eine Sicht wie im Umland zu haben, ist einfach traumhaft. Die Autos hört man nur ansatzweise. Eher schallen Kinderstimmen übers Feld oder man hört den Traktor, der die Wiesen mäht, das Gras zu Heuballen bündelt und zu riesigen Trockengrasmauern auftürmt. Ich liebe es, bei schönem Wetter auf einem dieser Heuballen zu liegen und mich mitten in der deutschen Hauptstadt wie auf einer einsamen Insel zu fühlen.



Das Tempelhofer Feld ist zwar kein wirklicher Geheimtipp mehr. An schönen Tagen sind hier sehr viele Leute unterwegs, aber aufgrund der Weitläufigkeit des Felds verteilen sich die Menschenmassen sehr gut. Die Fußgänger türmen sich an Sommertagen auch nur an den Eingängen, wo sich die ausgewiesenen Grillplätze und Hundeauslaufgebiete befinden. Mit dem Fahrrad kommt man dagegen zu den ruhigeren Stellen, an denen man sich wunderbar entspannen, den Turmfalken beim Jagen zusehen und die Haare im Wind wehen lassen kann. Mit einem erholten und friedfertigen Gefühl, so dass man wieder gewappnet ist für die gnadenlosen Ampelschaltungen und die gewohnte Kampfumgebung im Berliner Straßenverkehr, kehrt man dann wieder zum Alltag in der Großstadt zurück.


11 Kommentare:

  1. Hach, mir ist´s auch ein Vergnügen, mit dir zusammen was auszuhecken - danke dir!
    Und jetzt seh ich auch die fallschirmähnlichen Dinger mit Rädern drunter, die bei euch so rumschwirren - und im Hintergrund nen Verkaufsstand mit FAHRRAD! Wie konntest du mir den nur vorenthalten?
    ;)
    Liebe Grüße
    Christiane

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hehe... Das ist der Test, ob du auch auf meiner Seite mitliest... LOL... War mir nicht sicher wegen Fotos mit Menschen drauf, hab auch die Gesichter geschwärzt, aber ich dachte, wenn ich deswegen Ärger bekomme, dann nehme ich es auf meine eigenen Kappe...
      Liebe Grüße zurück und bin schon auf nächste Woche gespannt!!!!
      Anne-Marie

      Löschen
  2. “Life is like riding a bicycle. To keep your balance, you must keep riding.”
    (Albert Einstein) *♥schliebefahrradfahren*

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke fürs Kommentieren, Engelchen!
      Fahrradfahren verleiht Flügel!!! *schwört*

      Löschen
  3. Eine Kürschblüte in Berlin, großartig geschrieben, es ist als würde ich selbst wieder durch Berlin radeln.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke, Frau Handwerkerin! Manche Dinge werden sich in Berlin auch nie ändern... LOL

      Löschen
  4. komisch....ich hatte dir doch hier was geschrieben....wo issn das hin???? und du hattest echt funkkontakt mit dem tower und die erlaubnis durchzufahren *grins + zwinker*
    lg mickey

    AntwortenLöschen
  5. Was habe ich denn da für eine nette Seite endeckt ! So schöne Bilder vom Tempelhofer Feld. Wir sind vor drei Jahren da mal drübergeradelt und fanden es auch superklasse, so eine riesige Fläche mitten in der Stadt für Spiel, Spaß und Erholung. Ich wünsche den Berliner und ihren Besuchern, das die Stadtobersten sich nicht vom Geldblinkern blenden lassen und diese riesige Luftblase so lassen wie sie ist.
    lG Silke

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Daaaaaaaaaankeschön! Ich freue mich riesig über deinen Kommentar und finde es immer total schön, wenn jemand meine Begeisterung teilt ;-)

      Ich hoffe auch, dass das Gelände noch lange so bleibt wie es ist, denn ohne solche Flächen wird man in der Großstadt sonst irgendwann verrückt...
      LG, Anne-Marie

      Löschen